Zirkel der Kämpfer

Kampf kann Kunst sein. Kampf kann Sport sein. Und er kann Gemeinschaft sein, so wie in der Sportschule Jung in Wichlinghausen. Zu Gast bei Meister Hyun Jung.

Es riecht nach Schweiß und Ehrgeiz. Im Hintergrund laufen treibende Hip-Hop-Beats, etwa zwanzig Sportlerinnen und Sportler trainieren an verschiedenen Stationen in der Halle. Klimmzüge, Schlag- und Tritttraining, Ausdauerübungen, Liegestütze, Sparring. Es ist 19 Uhr an einem Mittwochabend. Heute ist Zirkeltraining angesagt, freitags wird gekämpft, ansonsten steht Techniktraining auf dem Programm. Der Trainingsraum der Sportschule Jung befindet sich in einem kleinen zweistöckigen Gebäude in der Elbersstraße in Wuppertal-Wichlinghausen. Seit 1986 wird hier trainiert, damals noch unter den Fittichen des Seniors. Heute leitet sein Sohn Hyun Jung die Schule. „Hi, ich bin Jonny“, sagt er zur Begrüßung.Jonny ist ein echtes Kraftpaket, seinen Spitznamen habe er schon seit Kindesbeinen an, erklärt der 34-Jährige. Das liege an der schwierigen Aussprache seines koreanischen Vornamens. Seit seinem vierten Lebensjahr macht er Kampfsport, zuerst Kung Fu und Taekwondo, später dann Thai- und Kickboxen. Seine Kindheit hat er zum großen Teil beim Training verbracht, unter dem strengen Blick seines Vaters. Damals sei Bruce Lee sein großes Vorbild gewesen, wie bei so vielen. In Zeiten von YouTube und Co. gibt es derartig konkrete Vorbilder nicht mehr, dafür umso mehr Informationen. Heute wüssten die Leute, die in die Sportschule kommen, ganz genau, was sie machen wollen, sagt Jung.

Respekt und Regeln 

Mit 17 Jahren hat er seinen ersten Meistertitel bekommen. Im Erdgeschoss des zweistöckigen Hauses ist jede Ecke mit Pokalen ausgefüllt. Eine ganze Wand voller silberner und goldener Erfolge. „Wir sind ein Teil von Wichlinghausen“, sagt er. „Ich bin fast mein ganzes Leben hier. Und weg will ich auch nicht.“ Die Sportschule Jung hat sich über die Jahre einen ausgezeichneten Ruf im Quartier erarbeitet, der sich über die Generationen hinweg gehalten hat. Jeder kennt und schätzt das Angebot. Das gute und vor allem familiäre Klima der Sportschule trägt nicht unerheblich dazu bei. „Der gegenseitige Respekt ist uns sehr wichtig. Wir sind eine Gemeinschaft. Religion und Politik haben hier absolut keinen Platz“, so Jung. Wer den Trainingsraum betritt, der lässt den Alltag draußen. Das wird auch sichtbar demonstriert: in einer symbolischen Verbeugung beim Betreten und Verlassen des Trainingsraums. Ein geschützter Bereich, abgeschottet von der Außenwelt und frei von Ablenkungen. Handys seien beim Training strikt verboten, erklärt der Meister. Man starre ohnehin den ganzen Tag lang auf irgendwelche Displays, hier gibt es eine Auszeit. Ein Problem sei das nicht, jeder halte sich an dieses Verbot. Verständlicherweise, denn wer gegen die strenge Hausordnung verstößt oder Stress macht, kann nach Hause gehen.

Die Halle ist erfüllt vom angestrengten Keuchen der Kampfsportler und von dem dumpf klatschenden Geräusch, das geballte Fäuste und Schienbeine gegen große und kleine Schlagpolster und Sandsäcke machen. Nackte Füße tänzeln im Boxring und hüpfen, laufen auf den Matten, die den Boden der gesamten Halle bedecken. Ab und zu hört man Jonny Jung kurze Anweisungen geben, es scheint, als habe er seine Augen überall. Er greift immer dann ein, wenn es nötig ist. Das Training wird in Zweierteams bestritten, wenn Anfänger dabei sind, bekommen diese einen erfahrenen Kämpfer zur Seite gestellt. Nach einer bestimmten Zeit, die auf einer Digitaluhr an der Wand runterzählt, unterbricht ein leiser Pfeifton das Treiben auf den Matten. Runde Zwölf, Zeit für einen Wechsel der Stationen. Auch an den Wänden: zahlreiche Nationalflaggen aus der ganzen Welt. Wie viele verschiedene Nationen genau hier täglich trainieren, das weiß Jonny Jung nicht, „sehr viele“ seien es auf jeden Fall. Aber in der Sportschule  Jung spielen Dinge wie Herkunft und Hautfarbe keine Rolle. Genau wie das Architekturstudium des Meisters. „Ich will nichts anderes machen“, sagt er. Am Ende des Tages versammeln sich alle Kämpferinnen und Kämpfer vor dem Meister. Durchgeschwitzt und glücklich. Jeder einzelne verabschiedet sich per Handschlag von Jonny Jung und den Mitstreitern. Morgen geht das Training weiter.