Surreal und digital

Wer wie Fotograf Dirk Wüstenhagen sein Geld online verdient, muss auf vielen Plattformen gleichzeitig aktiv sein. Vielseitigkeit und Organisationstalent sind wichtig für den Erfolg, Ländergrenzen hingegen spielen keine Rolle. 

Bilder sind der Treibstoff des Internets. Nicht nur in Form von lustigen Beiträgen auf Facebook, Twitter und Co., sondern auf jeder Website. Kein Artikel oder Blogbeitrag kommt ohne ein passendes Bild aus. Auch die Vermarktung von professioneller Fotografie ist eine Angelegenheit, die heute zu einem Großteil online abgewickelt wird. Auf unzähligen Plattformen kann jeder mit einem Internetanschluss Lizenzen erwerben, um die Bilder zum Beispiel für gedruckte Veröffentlichungen wie Bücher, Kataloge oder Broschüren zu nutzen. Die Bilder selbst werden anschließend in der gewünschten Auflösung auf den eigenen Rechner geladen. Die rein analoge Fotografie hat nicht nur bei Profis seit Jahren ausgedient.

Grenzenlose Bilderflut 

Mit dem Handel über Onlinekanäle verwischen auch die nationalen Grenzen, denn letztlich ist es vollkommen egal, ob ein Bild aus Asien, den USA oder aus Europa stammt. Der Download ist grundsätzlich nur einen Klick entfernt, genau wie die Bezahlung. Diese Entwicklung hat natürlich nicht nur Vorteile. Durch die für jeden Hobbyfotografen zugänglichen Online-Plattformen steigt die Masse der erwerbbaren Bilder im Internet ins Unermessliche. Alleine in der Foto-Community Flickr wurden im vergangenen Jahr rund 728 Millionen Bilder hochgeladen und es werden immer mehr. Über zwei Millionen Fotos kommen jeden Tag dazu. Und das sind nur die öffentlich sichtbaren. Auch professionelle Bildarchive wie Getty Images, Plainpicture, iStock und andere Online-Plattformen (Society6, 500px, Insta­gram) boomen seit Jahren. Oft bieten diese sogar zusätzliche Services wie die Bedruckung von Mousepads, T-Shirts, Tassen, Caps oder Handyhüllen mit dem gewünschten Motiv an.

Einer, der sich in der riesigen Konkurrenz im Word Wide Web behaupten konnte, ist der Wuppertaler Fotograf Dirk Wüstenhagen. Seine Bilder sind meist von einer besonderen atmosphärischen Stimmung geprägt, die er durch digitale Verfremdung und Kompo­sitionen erreicht. Oft tüftelt der 57-Jährige stundenlang am fertigen Bild. „Meistens arbeite ich an bis zu 30 Stück gleichzeitig“, so Wüstenhagen. „Am Ende komme ich auf durchschnittlich drei bis sechs Bilder am Tag.“ Angefangen hat alles vor etwa zehn Jahren, als Wüstenhagen sich mit der Bilder­flut im Internet beschäftigte und schließlich selbst zur Kamera griff. Der gelernte Bankkaufmann lud regelmäßig Fotos ins Netz – und erntete viele positive Kommentare. Heute kann er von den Einnahmen aus seinen Bildern leben. Sein globaler Kunden­stamm setzt sich unter anderem aus Bildagenturen und Verlagen zusammen.

Jeden Tag im Netz

Auch wenn sich inzwischen eine Stammkund­schaft entwickelt hat, weiß Wüstenhagen in den meisten Fällen nicht, wo und wie seine Fotos letztlich verwendet werden. „Viele werden für die Gestaltung von Buchtiteln genutzt, oft sind das Bücher aus dem Bereich Krimi und Thriller. Andere landen in Bildarchiven oder werden als Motive gedruckt.“ Ein 2017er-Fotokalender des Verlags­hauses DuMont wurde vor kurzem gleich mit zehn seiner Bilder ausgestattet.

Auch seine selbstentwickelten Filter und Texturen zur digitalen Bildbearbeitung sind inzwischen gefragt. „Es gibt zwei iOS-Apps für iPhone und iPad, für die ich Texturen geliefert habe. Durch Überblendung mit der eigentlichen Aufnahme kann so ein bestimmter Effekt erzielt werden.“ Die Bildbearbeitung via App ist in den vergangenen Jahren immer populärer geworden. Von Retrolook über Collagenerstellung bis hin zu komplex­en Bearbeitungsschritten – für jeden Anlass gibt es die passende Foto-App. Bei vielen ist der anschließende Upload in ein eigenes Online-Forum direkt implementiert.

Neben der Qualität der Bilder zählt bei der Onlinevermarktung vor allem das regelmäßige Engagement: „Man muss einfach Präsenz zeigen. Am Anfang habe ich einfach jeden Tag ein Bild hochgeladen“, erzählt der Fotograf. „Es reicht nicht, ab und zu mal etwas zu posten.“ Zum Arbeiten im Netz gehöre außerdem die Teilnahme an diversen Wettbewerben beispielsweise in einem der zahlreichen Foren. Das kann auf Dauer auch schon mal etwas unübersichtlich werden. Auf wie vielen Portalen Wüstenhagen mittlerweile vertreten ist, weiß er nicht mehr.

Um sich Inspirationen für neue Motive zu holen und aktuelle Trends aufzuspüren, begibt sich der Fotograf regelmäßig auf die Suche im Netz. „Aktuell sind stimmungsvolle Landschaften und Wälder angesagt. Back to nature. Da kommt mir der verregnete Sommer eigentlich ganz recht. In diesigem Wetter kann ich tolle Fotos schießen, zum Beispiel wenn morgens der Nebel aufsteigt.“ Wenn die Witterung passt, schwingt sich Wüstenhagen dann auch schon mal spontan aufs Rad und geht im Bergischen auf Motivjagd. Und für die anschließende Arbeit am Computer ist das Wetter dann auch eher nebensächlich.